über Sarah und ihre Freunde

 

Sarah

  

 

 

 

 

 

„Obedience macht Spaß"

Aus der Sicht eines Afghanen

 Ich bin ein Afghane aus der Rennleistungszucht. Mein Behang ist kurz, praktisch, gut, nicht lang und schön. Ich habe einen hellen Kopf, von wegen Afghanen sind die dümmsten Hunde der Welt. Keine Ahnung!! Die mich kennen, nennen mich auch Rennkoyote!

 Eigentlich bin ich zum Rennen, Hetzen und Beute machen geboren. Rennen ist mein Metier, und da habe ich alle Titel, vom Europameister über den Weltmeister bis hin zum Deutschen Meister, teils auch mehrfach geholt.

 Aber mein Oberhund, mein Frauchen, macht nun mal gerne Obedience, und da in unserer häuslichen Gemeinschaft nur ich 4beiner bin, muss ich als Teamgefährte für diese Sportart herhalten. Mein Vorgänger, ein älteres Afghanensemester aus dem Tierheim, wurde schon in VPG geprägt; und was soll ich euch sagen, der machte das auch noch mit, entgegen allen Erfahrungen und Aussagen der Afghanenzüchter und allen, die etwas von Afghanen verstehen.

Mein Oberhund also versuchte schon in meinem Welpenalter mich auf Gehorsam zu prägen. Ich durfte nicht alles tun, was ich wollte. Glücklich die anderen meiner Rasse, die den Freibrief haben, jeden Blödsinn auszukosten, was auch voll toleriert wird. Aber ich will meiner Obersten ja gefallen, da sie immer nett zu mir ist und mich über Spiel und viele Leckerlis bei guter Laune hält.

 So lernte ich schnell alle Übungen der BH-VT, was ja Voraussetzung für alle Sportarten ist. Nach bestandener BH-Prüfung, die ja auch viele Elemente der Beginnerklasse in Obedience enthält, machte ich die erste Prüfung. Ich sage euch, war das aufregend! Warum standen da alle Teams in einer Reihe, und warum durfte ich nicht kommunizieren, riechen und spielen? Alle Oberhunde mit ihren Hunden waren so ernst, und es war totenstill auf dem Platz, auch das Publikum. Die nächste Übung "Stehen und Betasten" war einmalig; ich durfte mich nicht von der Stelle rühren, obwohl mich ein Fremder teilweise kitzelte. Und dann kam ein Erlebnis, wovon ich heute noch schwärme. Bei der" gemeinsamen Ablage", 2 Min. liegen mit Sichtkontakt, tauchte am Horizont plötzlich eine weiße Kuvaszhundedame auf. Sie leuchtete in der Sonne wie eine Göttin! Nachdem ich mich kurz versicherte, dass keine anderen Rüden Interesse an dieser Hundedame hatten, sondern nur die Hälse lang machten stand ich auf, ging auf sie zu und himmelte sie an. War die schööön! Plötzlich stand meine Oberste neben mir und weckte mich aus meinen Träumen; ein Blick zu ihr hoch sagte mir alles. Ich war wie versteinert, warum konnte sie mich nicht verstehen, mich Unschuldsknaben. Ich wollte doch nur… Damit war diese Übung mangelhaft. Es hatte sich erledigt, und ich brauchte sie nicht mehr wiederholen. Die anderen Disziplinen machte ich aber vorzüglich und startete kurze Zeit darauf in Klasse 1. In dieser Klasse musste ich ja ganz andere Dinge zeigen, und fast ganz umsonst hatte ich die Übungen der Beginnerklasse gelernt.

 In der Klasse 1 gab es tolle Übungen, u.a. "Freisprung über eine Hürde" und "auf ebener Erde apportieren". Ich zeigte, was ich gelernt hatte, und schwuppdiwupp konnte ich in Klasse 2 starten.

Aber die Klasse 2 hat`s in sich! Mir haften alle Übungen im Kopf, und ich versuche immer mein Bestes zu geben.

Auf Prüfungen ist immer was los. Da sind Gerüche ohne Ende, die ich auf meinem Hundeplatz nicht kennen gelernt habe. Es wird meistens gegrillt, und da in Klasse 2 oftmals erst nachmittags gestartet wird und der Hundebauch fast leer ist, fällt es besonders schwer, sich voll auf die Prüfung zu konzentrieren. Kann man da noch von Fairness sprechen, wenn kurz vor dem Start einem auch noch frisch gebackene Waffeln vor die Nase gehalten werden?

Trotzdem, auch wenn man von den Genüssen ganz benommen ist, muss gestartet werden, es ist ja schließlich eine Prüfung! Auf einer meiner Prüfungen, wo ich unter vorgenannten Bedingungen gestartet bin, versagten mir fast die Beine, und es war, als hätte man mir meinen Motor ausgebaut, obwohl ich ja flink sein kann und in den letzten 2 Jahren auf der Rennbahn der schnellste Afghanenrüde bin. Staksend, kaum von der Stelle kommend, betrat ich den Platz, die Nase in den Wind gestreckt, dem Waffelduft nachschnuppernd. Was sollte mich da noch motivieren, wenn ich die Waffeln nicht bekomme!

Aber nun mal ganz von vorne. Hier schildere ich den Ablauf einer meiner Prüfungen in Klasse 2:

Morgens zu Hause begann schon die Hektik. Kein langes Schlafen, kein Fahrrad fahren, alles musste schnell gehen. Mein Oberhund rannte hin und her, raus und rein, weil immer etwas vergessen wurde, bis wir schließlich im Auto saßen. Nun ging es im Tempo zum Hundeplatz, vielleicht in letzter Minute? Auf dem Hundeplatz angekommen, ging die Hektik weiter. Ein Chipmeister mit einem Lesegerät versuchte meinen Chip zu finden, ob ich auch derjenige war, der auf dem Papier stand. Ungeduldig wurde ich am Halsband gezerrt, ich sollte doch endlich still stehen, bis der Chip gefunden war. Dann ging es zum Gassigehen; ich bekam kaum Zeit zum Lösen, und ein genüssliches Schnuppern war gar nicht drin. Schon hetzte mein Oberhund mit mir zum Hundeplatz zurück, denn wir waren am Start. Die erste Übung begann mit "Sitz"; 2 Minuten andächtig den Oberhund anschauen, ein klägliches, nervöses Gegenüber! Vorher saßen schon einige meiner Gefährten/innen auf dieser Stelle, die rot markiert war und nach Spray stank. Ich ließ meinen Blick schweifen, nach rechts und nach links, und plötzlich hatte ich den Geruch einer Hündin in der Nase, die vorher hier auf meiner Stelle gesessen und gelegen haben musste. Ich ging mit dem Kopf nach unten, um zu inspizieren, was das für eine Lady war, und schon hatte ich einen Punkt von 10 weniger. Die nächste Übung war "3 Minuten liegen ohne Sichtkontakt". Auf der gleichen Stelle wurde ich nun wieder positioniert, und ich sage euch, ein Duft erreichte meine Nase! Das musste ich kontrollieren, obwohl ich nach dem Reglement wie eine Sphinx abliegen sollte. Aber es war ja kein Oberhund da, der mich beobachten konnte. Nach 2 Minuten wollte ich nun endlich wissen, wer die gut duftende Lady war, und so schnüffelte ich auf dem Boden herum, was das Zeug hielt. Mir war egal, dass es eine Minderung von 2 Punkten dafür gab. Am Nachmittag war die "Freifolge" mit Slalom, Winkel und Wendungen. Das machte Spaß, und ich wusste, wenn ich alles gut mache, gibt es am Ende der Prüfung den "Jackpot", etwas besonders Leckeres. Nach der "Freifolge" musste ich ein "Sitz und Platz" aus der Bewegung zeigen. Alles kein Problem. Dann aber wurde es spannend. Aus 25 Meter Entfernung musste ich auf der Hälfte der Strecke ein perfektes "Steh" aus der Bewegung zeigen, obwohl mir meine Oberste das nie vormachen konnte, und nach dem "Steh" erwartete man wieder ein schnelles "Herankommen" mit einem geraden "Vorsitz". Als ich das Kommando zum Start bekam, rannte ich so schnell wie auf der Rennbahn, und als ich den Befehl zum "Steh" bekam, war ich schon 2/3 der Strecke gerannt, blieb aber perfekt stehen und startete wieder schnell bis zu meinem Oberhund. Eine toll gezeigte Übung, aber leider mit 0 Punkten. Jetzt aber ging es zur "Boxübung". Ein Viereck von 3x3m sollte ich schnell erreichen und mich mittig auf Kommando hinlegen. Treffer, volle Punktzahl erreicht. Nun ging`s zum "Apport über die Hürde". Hey, macht das Spaß! Ich sprang und brachte das Kunststoffapportel wie der Blitz zum Oberhund zurück. Beim Vorsitz wedelte ich freudig mit meinem Erdungskabel (meiner dünnen schwarzen Rute) und zeigte meine ganze Freude.

Aber dann kam es: "Metallapport auf ebener Erde". Liebe Oberhunde, habt ihr schon mal auf Metall gebissen, das im Winter eisigkalt oder aufgewärmt zu warm war, und hat es euch Freude gemacht? Himmel, was wird da von uns verlangt! Diese Übung soll auch noch freudig und schnell ausgeführt werden. Also legte ich los, machte mein Ding, aber nicht ohne Widerspruch, was natürlich auch noch gepunktet wurde. Wieder keine "10", man darf also gar nichts sagen. Blöde Übung! Aber die nächste Übung "Geruchsunterscheidung aus 6 Holzgegenständen (10x2x2 cm)" war wieder interessant. Meine Oberste hatte eines dieser Gegenstände angefasst und in den Handflächen gerieben. Diesen, genau diesen berührten Gegenstand sollte ich heraussuchen und ohne Knautschen zurückbringen. Mache ich doch mit links; ich fand und brachte den Gegenstand aufgeregt, rollend zwischen meinen Zähnen voller Stolz und Aufregung zurück. Wer kann das verstehen, richtig gefunden, schnell zurückgebracht und dennoch Punktabzug! Die Prüfung näherte sich dem Ende, und ich brauchte nur noch die "Distanzkontrolle" aus 15m Entfernung zu absolvieren. Die letzte Übung im Programm, und dann bekomme ich doch den heiß ersehnten "Jackpot". Also mach voran Oberhund, ich bin ungeduldig und freudig zugleich und teile dir das schon mal laut mit. Ein tadelnder Blick folgt auf meine Aufforderung, es war doch nur einmal, dass ich Laut gab! Die Übungen "Sitz, Steh, Platz" vollzog ich fehlerfrei. Nur weil ich wieder einen Ton von mir gegeben hatte und nicht lag wie eine Sphinx, sondern mich dafür interessierte, ob die tolle Lady auch schon hier auf der Stelle gelegen hatte, bekam ich wieder einige Pünktchen gezogen.

 Lieber Leistungsrichter, Punktezieher und Oberhunde, habt ihr schon mal unter ähnlichen Bedingungen so einen Gehorsam zeigen müssen? Oder habt ihr nicht auch mal euren Trieben nachgegeben? Rauchen oder so… Wisst ihr, was ihr von uns 4beinern verlangt?

Ich wurde in meinen Gedanken gestört, denn es gab lauten Beifall für meine Leistungen. Die Ergebnisse zeigten, dass ich doch gar nicht so schlecht war und meine Prüfung gut gemacht hatte. Bei der Siegerehrung war ich ganz schön stolz, schließlich bin ich doch ein seltenes Exemplar in dieser Sportart.

Also dann, bis zur nächsten Prüfung, denn "Obedience macht doch Spaß".

Panjhir`s Aziz genannt Ayko
vom Oberhund Gudrun Kammels
GHV Altstadt/MG-Bettrath


Mit freundlicher Genehmigung von Gudrun und Herbert Kammels, Möchengladbach.



Anmerkung:
Ja, ja, wo die Liebe und Sympathie so hinfällt. Afghane Ayko war und ist fasziniert von Kuvasz-Dame Sarah. Und Sarah? Nun, sie die doch sehr wählerisch ist, fand und findet Ayko richtig nett, was nicht heißt, dass sie ihn an ihre "Unterhose" lässt. So weit geht die Liebe nun doch nicht. Aber zu ein paar "Küsschen hier - Küsschen da" lässt sie sich schon herab.

Dank an Gudrun und Herbert, die uns gestattet haben, diese kleinen Anekdoten aus dem Obedience-Leben eines Afghanen zu veröffentlichen.

Wir nennen ihn liebevoll den "Rennkoyoten". Und er ist etwas Besonderes. Auf der Rennbahn ist er heimisch, im Obedience ist er sicher genauso exotisch wie Kuvasz-Dame Sarah. Einen Afghanen bis in Obedience-Klasse 2 zu führen, ist schon aller Ehren wert, und Gudrun und Herbert können stolz sein auf ihren Ayko.

 

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12.11.2007

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