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über Sarah und ihre Freunde |
Bestanden Unternehmen wir jetzt was, Frauchen? Klar, Sarah.
Und es wird bestimmt ganz toll... Hoffentlich! Anmeldung: »Hundeführer Anette Manzius und... ah... Amara zum weißen Flöckchen...« Der Leistungsrichter nickt uns freundlich zu. Neben mir steht Georg mit seinem großen Dobermannrüden Argus. Er geht zuerst in die Prüfung Ich gehe Richtung Ablage am Rande des Hundeplatzes. Sarah trottet an meiner linken Seite. Ich lasse sie sitzen, leine sie ab. Ein ziemlich energisches »Platz«. Mein Hund sinkt in sich zusammen. Ich gehe weg und bleibe mit dem Rücken zu ihr stehen. Banges Warten beginnt. Georg und Argus laufen los. Die Zuschauer beobachten
alles gespannt. Ich kann und darf leider nicht sehen, was hinter meinem Rücken
geschieht. Hoffentlich bleibt sie liegen, bete ich inbrünstig.
Die Sekunden verstreichen. Ich studiere die Mienen der Zuschauer. Gibt mir da jemand
ein Wink? Ich drehe mich um und... möchte im Boden versinken. Sarah trottet auf mich zu. Ich brülle ein »Platz!!!«. Sarah liegt wieder. Ich gehe weg. Und wieder beginnt das Warten. Ich brutzle, innerlich vor Wut und Frustration, und weil die Sonne mal so richtig warm auf uns hernieder scheint (hätte sie das nicht ´ne Stunde später tun können?). Herrchen ist übrigens ins Vereinsheim geflüchtet - er kann die Spannung nicht länger aushalten und lässt sich unser Schauspiel jetzt von anderen kommentieren; selber zuschauen geht ihm zu sehr an die angespannten Nerven. Ach, unser armes Herrchen! Ich sehe nichts. Nur mein steifes Spiegelbild im Küchenfenster des Vereinsheims. Die Minuten verrinnen. Aus dem Augenwinkel kann ich ab und zu Georg und Argus sehen, die ihre Übungen vor den Augen des Leistungsrichters absolvieren. Die Zuschauer murmeln. Und ich warte noch immer. Da. Endlich. Der Richter gibt mir ein Zeichen. Hund abholen. Ich drehe mich um. Sarah liegt da, guckt mich bedröppelt an. Wie sie da so liegt, muss man sie einfach lieb haben. Ich leine sie an, lasse sie in der Grundstellung sitzen. Ich knuddele sie aufmunternd und lache sie an. »Okay, Maus. Jetzt geht´s los. Du schaffst das. Du bist die Beste.« Wie ein Fußballtrainer seine Mannschaft vor dem Spiel zu motivieren versucht und sie hochpusht (klappt bekanntermaßen ja auch nicht immer wunschgemäß), so versuche ich jetzt aus meinem Hund für die nächsten wichtigen Minuten so viel Freude und Elan wie nur möglich herauszuholen. Wir stehen am Startpunkt. Georg und Argus sind am Rand des Platzes, wo der Dobermannrüde nun liegen muss, während wir arbeiten. Ein nervöser Blick von mir zum Leistungsrichter. Er winkt mit seiner Tafel. Wir gehen los. Ich, Arme schwingend und zügig - Sarah, gemütlich wie immer. Fünfzig Schritte rauf. Ich werde ein bisschen schneller. Ja, sie guckt mich tatsächlich mal an und ist auch nicht zu weit weg von mir. »Komm, Sarah. Schnell, Maus«, flüstere ich und hoffe, dass es der Leistungsrichter nicht hört. Das ist dann Führerhilfe und gibt Punktabzug. Kehrtwendung. Zehn Schritte gehen, dann weitere zehn im Laufschritt. Sarah hüpft an mir hoch, zupft am Ärmel. Ja, schneller laufen, das gefällt ihr. Ein gedehntes »Fuuß...« - zehn Schritte langsam. Sarah schaut mich an. Können wir nicht spielen, Frauchen? »Fuß!« und es geht im Normalschritt zügig weiter. Winkel rechts, so um die fünfzehn Schritte - Sarah wird um die Ecke gezogen. Winkel rechts, noch mal fünfzehn Schritte. Kehrtwendung. Sarah lässt sich Zeit. Sieben Schritte. Ich bleibe stehen. Sarah setzt sich. Ich lächle sie aufmunternd an. Vier Leute betreten den Platz und bilden für uns eine »Gruppe«. Wir gehen los. Auf die Gruppe zu, durch sie hindurch, rechts rum um den einen, links rum um den nächsten, bis wir die so genannte »Acht« gelaufen sind. Ich bleibe neben einem Gruppenmitglied stehen. Sarah setzt sich brav. Vom Leistungsrichter kommt ein »Okay«. Wir gehen wieder los, kleiner Bogen, stehen bleiben. Sarah sitzt. Jetzt wird´s spannend. Leine
abmachen, umhängen. Und los. »Fuß!« Ich gehe los. Durch die
Gruppe (nicht umschauen, Sarah ist irgendwo hinter mir), rechts um den ersten herum,
durch die Gruppe, links um den zweiten (Sarah ist weit weit weg. Mir kommt es vor wie
zweihundert Meter.), durch die Gruppe hindurch. Ich bleibe wieder stehen. Da kommt
sie angetrottet, grinst und setzt sich in Zeitlupe zwischen mich und das Gruppenmitglied. Mit energischem »Fuß!«
geht´s wieder los. Ich zügig vorne weg, Sie wissen schon - fünfzig
Schritte rauf... Sarah ist bei mir, jedenfalls irgendwo dahinten. Na ja, nicht gerade
»schäferhundmäßig«, aber sie geht immerhin mit. Oben angekommen,
Kehrtwendung. Und wieder: Zehn Schritte normal - Sarah ist gaaaanz weit weg - zehn
Schritte Laufschritt - schwups ist Sarah wieder da, dicht an meiner Seite - zehn Schritte
langsam - Nicht einschlafen, Sarah - und wieder Normalschritt. Sarah sitzt, schaut mich aufmerksam
an. Ich blicke ihr tief in die Augen. Wird sie es tun? Gleich werden wir es alle wissen Dreißig Schritte. Ich drehe mich
um. Hilfe! Da kommt sie! Trottet hinter mir her, statt sitzen zu bleiben. Blöde
Kuh, denke ich nur und brülle »Sitz!«, was sie dann Gott-sei-Dank
auch tut. Vorbei! Ich lobe sie, knuddele ihren
dicken Po und nehme sie erleichtert in den Arm. Egal, was auch immer der Richter gleich
über uns sagt, meine Sarah ist die Beste. Was wird er jetzt über uns sagen?
Egal. Vielleicht sind wir durchgeplumpst. Dann versuchen wir es eben noch mal. Der später nachfolgende Straßenteil mit Jogger, Radfahrer, Menschenmenge und angebundenem Hund war leicht zu bewältigen, da meine Sarah davor keine Angst hat und den anderen teilnehmenden Hunden gegenüber auch keine Aggressionen entgegenbringt. Später, am Nachmittag, als auch die Schutzhunde - neuerdings heißt es jetzt »VPG« »Vielseitigkeitsprüfung für Gebrauchshunde« - fertig waren, alle gegessen hatten und die Papiere ausgefüllt und abgestempelt waren, fand die Siegerehrung statt. Leider hat heute eine nette Dobermannhündin die Prüfung nicht geschafft. Das nächste Mal klappt es bestimmt Sarah und ich bekamen eine Urkunde
und einen kleinen Pokal, und in ihrer Leistungskarte steht jetzt ein erster Eintrag:
»22.04.01 - BH - bestanden« (Begleithundprüfung) Um es bis zu dieser Prüfung zu schaffen, war es ein langer Weg, und ich möchte hier all denen danken, die sich um uns bemüht und gesorgt haben: die Ausbilder des BK-HSV Angerland in Ratingen, besonders Willi und Sabine Schmitz, Dominik Heck; die Ausbilder des Dobermann Vereins, Abt. Düsseldorf, Carmen Lindner und Andrea Buchloh, die uns an dieser Prüfung teilnehmen ließen (ein kleines bisschen ist Sarah jetzt in ihrem tiefsten Innern bestimmt ein Dobermann, nur eben in weiß). Wir möchten uns bei allen anderen Helferlein bedanken, auch wenn wir sie hier nicht namentlich erwähnen. Tja, nun werden sich viele von Ihnen fragen, was ist denn das besondere an dieser kleinen Eintragung »BH - bestanden - ja«? Das, was wir am 22. April 2001 bestritten und erstritten haben, schaffen jedes Wochenende Dutzende, wahrscheinlich Hunderte Hunde. Das was es bei uns so besonders macht, ist, das der dicke, weiße Hund an meiner Seite nicht ein Dobermann, Schäferhund, Rottweiler, Golden Retriever oder sonstiger Gebrauchshund ist, sondern ein Kuvasz! Und das macht es zu etwas ganz Besonderem! Es macht uns stolz, sagen zu können, dass wir einen der wenigen Kuvasz besitzen, der die Begleithundprüfung (BH) bestanden hat. Es gibt sicher nicht so viele, die das geschafft haben. Jetzt werden Sie fragen, ob das überhaupt
wichtig für einen Kuvasz ist. Oder für Sie? Viele von Ihnen werden jetzt sagen, wir haben doch den Wesenstest mit unserem netten Kuvasz abgelegt, aber niemand von uns weiß, wie es weitergehen wird. Bei uns in Ratingen erhielten wir auf Grund des KVD-Wesenstestes gerade mal ein Jahr Maulkorb- und Leinenbefreiung; jede Gemeinde kann die Dauer selbst festlegen. Wenn erst mal die Bundesregelung in Kraft getreten ist, wer weiß denn, was dann noch alles kommt? Was ist, wenn die so genannte Liste 2 in Nordrhein-Westfalen bleibt? Oder jeder Hundebesitzer einen Hundeführerschein braucht? Viele von Ihnen sagen sicher: »Mein
Hund braucht das nicht. Er hat ein riesiges Grundstück, das er bewachen kann.
Wozu eine Prüfung? Das ist doch nur lästig.« Bitte denken Sie jetzt nicht, dass
ich Sie alle nächste Woche auf einem Hundeplatz sehen möchte, aber es wäre
schön, wenn viele, besonders die, die gerade einen Kuvasz-Welpen erworben haben,
mit ihrem Hund mehr als nur das übliche Gassigehen unternehmen würden. Und
aus eigener Erfahrung wissen wir, dass es nicht ganz einfach ist mit einem dickköpfigen,
wenn auch liebenswürdigen Kuvasz. »Einen Kuvasz besitzt man nicht, man lebt
mit ihm.« Dieser Spruch ist wahr. Aber das bedeutet nicht, dass man seinen Hund
nicht erziehen kann. Und nordrhein-westfälische Kuvasz-Besitzer sollten diese
Erziehung möglichst »schriftlich« haben. Und mit unseren Familienhunden können
wir ´ne Menge machen: Begleithundprüfung ist nur eine Möglichkeit.
Breitensport (Turnierhundsport), Agility, Fährtenhund, Team-Test. Oder auch nur
ein bisschen Leinenführigkeit für die Anfänger und Junghunde. Ich bin mit der Aufgabe gewachsen (Herrchen
auch). Wir haben es geschafft, und eigentlich sind wir jetzt neugierig, ob auch noch
ein paar andere Kuvasz-Besitzer in der nahen Zukunft diese nehmbare Hürde »BH«
in Angriff nehmen werden. Wir wünschen Ihnen Glück dabei und drücken
alle Pfoten. Übrigens - unsere Sarah hat jetzt
ein neues Ziel: Sie will ein Fährtenhund werden. Und ich bin mir sicher, sie wird
das Training, vor allem aber das Suchen der Leckerchen lieben. Und bei unserem zweiten Kuvasz, der
dann ein Rüde sein wird, darf sich dann Herrchen den Mund fusselig reden.
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überarbeitet 05.03.2007